Warum Besatzmaßnahmen durch Brutboxen und nicht einfach Fische aus der Zuchtanlage besetzen? Die Nachteile von adulten Zuchtfischen.

Unser Lech Wildlife Projekt basiert auf den Einsatz von Brutboxen zur Sicherung und Wiederherstellung eines ausgewogenen Wildfischbestandes im Lech. Dies ist ein relativ aufwendiges Unterfangen, jedoch zahlt es sich aus, damit die in den Fluss eingebrachten Fische unter nahezu vollkommen natürlichen Bedingugen aufwachsen und sich in ihrem Verhalten von echten Wildfischen nicht mehr unterscheiden. Dies ist bei Fischen, welche zuvor in einer Zuchtanlage aufgewachsen sind und erst dann in den Fluß eingebracht werden, nicht der Fall. Sowohl kurz- als auch langfristig gesehen,macht eine Besatzmaßnahme mit solchen Zuchtfischen daher keinen Sinn und richtet sogar Schäden im Gewässer an. All dies kann durch einen naturnahen Fischbesatz mit Hilfe von Brutboxen vermieden werden. Weitere Gründe, warum wir einen Besatz mit adulten Fischen aus der Zuchtanlage strikt ablehnen und was die Eigenschaften solcher Fische sind, kann im Folgenden nachgelesen werden.


Kaum Schutzinstinkt bei Zuchtfischen. Geringer Fluchtreflex.

Nahezu ausgewachsene geschlechtsreife Fische aus der Zuchtanlage werden auch als adulte Zuchtfische bezeichnet. Wenn solche Fische in ein Gewässer eingesetzt werden, so fehlt ihnen ein ausgeprägter Schutzinstinkt, wie er bei direkt im Gewässer aufgewachsenen Fischen zu finden ist. Grund hierfür ist, dass in der Zuchtanlage kein Instinkt zur Feindvermeidung entwickelt wird, und somit die Fluchtreflexe solcher Fische nicht ausreichend entwickelt sind. In der Zuchtanlage werden die Fische täglich von Menschen gefüttert und wachsen in einer kontrollierten, geschützten und artuntypischen Umgebung auf, ohne dabei jemals echten Überlebens- und Gefahrensituationen ausgesetzt zu werden. In Zuchtanlagen sind es die Fische ein Leben lang gewohnt gewesen, dicht an dicht auf engstem Raum zu leben. Dies veranlasst sie dazu, auch beim Aussetzen in ein naturnahes Gewässer zunächst einen großen Schwarm zu bilden und sich so vollkommen artuntypisch zu verhalten. Selbst Fischarten wie beispielsweise Bachforellen, die ausgewachsen normalerweise eher als Einzelgänger zu bezeichnen sind, eignen sich so ein Schwarmverhalten an. Der Schwarm adulter Zuchtfische kann im Gewässer sehr leicht von Räubern ausgemacht werden. Da den Zuchtfischen die besagten Schutzinstinkte größtenteils fehlen, stellen sie so eine leichte Beute für Feinde aller Art dar.

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Untypische Aufenthaltsorte im Gewässer sorgen für Nahrungsknappheit. Die natürliche Fischbrut wird dezimiert.

Adult eingesetzte rheophile (= strömungsliebende) Zuchtfische neigen darüber hinaus auch dazu, am Besatzort artuntypische Verweilbedingungen aufzusuchen, die kaum Strömung aufweisen oder an denen sogar komplett stehendes Wasser anzutreffen ist. Sie tun dies, da solche Bedingungen denen in der Zuchtanlage ähneln, in welcher sie aufgewachsen sind. Hierbei gestaltet es sich für die Zuchtfische standortbedingt jedoch oft schwierig, ausreichend Nahrung zu finden und aufzunehmen, da diese nur in der Hauptströmung (Driftnahrung) zu finden ist. Dieses Dilemma wird zunächst durch den vermehrten Verzehr der natürlichen Fischbrut ausgeglichen, die sich meist ebenfalls an strömungsreduzierten Stellen im Gewässer aufhält. Daher können adult eingesetzte Zuchtfische nahezu die gesamte lokal aufgewachsene native Brut eines Jahrganges vernichten. Am Besatzort stellen sie als Eindringlinge einen gravierenden Störfaktor in der natürlichen Altersstrukturbalance dar und verfälschen das natürliche Zahlenverhältnis der Räuber-Beute- Beziehung drastisch. Sobald die natürliche Brut dezimiert ist, finden die adult besetzten Zuchtfische jedoch keine ausreichende Nahrung mehr im Gewässer und wandern größtenteils ab.

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Richtiges Verhalten im strömenden Wasser fällt schwer. Flossenfehlbildungen schränken die Schwimmfähigkeit zusätzlich ein.

Die Abwanderung der adulten Besatzfische geschieht jedoch nicht nur aufgrund von Nahrungsarmut, sondern teilweise auch deshalb, weil diese Fische keinerlei Strömung aus der Zuchtanlage gewohnt sind und somit nicht wissen, wie sie sich unter solchen Bedingungen verhalten müssen. Folglich lassen sich die Fische von der Strömung abtreiben. Ein weiterer Grund für die ausgeprägte Abwanderung von adulten Zuchtfischen ist die eingeschränkte Schwimmfähigkeit, über welche diese teils verfügen. Da in den meisten Zuchtanlagen sehr beengte Verhältnisse herrschen und auch der Gewässergrund oft betoniert ist, kommen Schäden an den Flossen der Tiere sehr oft vor. Teilweise fehlen diese auch komplett, da sie bei gegenseitigen Bissangriffen verloren gehen oder sich durch wiederholte mechanische Abnutzung am Betonboden zurückbilden. Somit können solche Fische ihr Dasein fast nur noch im artuntypischen stehenden Wasser fristen und meiden ihren eigentlichen Lebensraum in der Strömung.

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Abwanderung endet meist tödlich. Fehlendes genomisches Imprinting.

Die, aus den oben genannten Gründen, abwandernden Fische bewegen sich aufgrund ihrer mangelhaften Schwimmfähigkeiten im Allgemeinen flussabwärts. Hierbei treffen sie früher oder später entweder auf den Rechen oder aber auf die Turbine eines Kraftwerks und werden dabei meist unweigerlich zerdrückt bzw. zerhäckselt. Dies kann auch nicht durch Umgehungsgerinne, wie z.B. Fischtreppen bzw. -aufstiegsanlagen, verhindert werden, da solche lediglich in flussaufwärtiger Richtung von Fischen gefunden und benutzt werden können. Bei flussabwärtiger Bewegungsrichtung führt der Weg jedoch zwangsläufig mit dem Hauptstrom durch das Kraftwerk und endet im nahezu sicheren Tod. Somit wird ein Großteil des Geldes, welches für den Besatz von adulten Zuchtfischen investiert wird, früher oder später durch Wasserkraftwerke zerhäckselt. Verstärkt wird das stark ausgeprägte Abwanderungsverhalten dabei noch durch die fehlende genetische Ausprägung (genomisches Imprinting) der Fischlarven aus der Zuchtanlage in Bezug auf den Besatzort. Vereinfacht gesagt, fühlen sich die Fische aus der Zuchtanlage im Besatzgewässer nicht heimisch. Das genomische Imprinting entwickeln Fischlarven nur kurz nach dem Schlüpfen im Substrat des Gewässers (= Kiesgrund). Anders als bei Fischen aus Zuchtanlagen, wird dies beim Schlüpfen in unseren Brutboxen gewährleistet und ein späteres Abwandern somit verhindert.

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Schlechtes Anpassungsvermögen führt zu geringer Fortpflanzung. Zuchtfische lassen sich sehr einfach fangen.

Ganz allgemein ist das Anpassungsvermögen (= Fitness im biologischen Sprachgebrauch) adulter Besatzfische aus der Zuchtanlage relativ niedrig, was zu einer geringen Überlebensrate und zu einem sehr kleinen Fortpflanzungserfolg im Besatzgewässer führt. Diejenigen Exemplare, die es trotzdem schaffen sich fortzupflanzen, können das Genpool (Erbgut) des lokalen Fischbestandes verfälschen und verdrängen (genetische Kontamination). Bei anhaltendem Besatz von adulten Zuchtfischen kann dies über mehrere Generationen hinweg zur innerartlichen Hybridisierung und Sterilität führen. Darüber hinaus neigen adulte Zuchtfische zur bereits angesprochenen Schwarmbildung, was selbst dann geschieht, wenn dieses Verhalten nicht arttypisch ist, d.h. nicht zum Genpool (Erbgut) der jeweiligen Fischart gehört. Durch die Schwarmbildung erhöhen sich das Konkurrenzverhalten der Fische und somit auch ihr Futterneid. In Kombination mit dem mangelnden Schutzinstinkt und der oben erwähnten Nahrungsknappheit im Stillwasserbereich können adult eingesetzte Fische somit deutlich leichter von Anglern gefangen werden. Nach kurzer Zeit wird daher in der Regel fast der gesamte Besatz von Anglern aus dem Gewässer wieder herausgefischt. Bei Fischen, die von klein auf im Gewässer aufgewachsen sind, trifft dies nicht zu.

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